Navigieren in Meisterschwanden

Textilien, Metallverarbeitung und Verpackungstechnik

Zeitstrahl: 1935 n. Chr.

Die Industrie in Meisterschwanden im 20. Jahrhundert

Der Niedergang der Strohindustrie in den Wirtschaftskrisen der 1920er- und 30er-Jahren traf Meisterschwanden schwer. Die grössten Arbeitgeber der Region mussten ihren Betrieb redimensionieren oder verschwanden sogar ganz. Die aktiven Bemühungen, in den leerstehenden Fabrikgebäuden neue Unternehmen anzusiedeln, begannen ab Mitte der 30er-Jahre insbesondere in der Textilindustrie zu fruchten, in den folgenden Jahrzehnten kamen weitere Betriebe hinzu. Der Historiker Paul Nussberger bilanzierte 1966 in der Bezirkschronik: «So ist aus Meisterschwanden am schönen Hallwilersee mit der Zeit ein ansehnlicher Industrieort geworden, und wo früher nur die Strohindustrie verbreitet war, haben sich heute mehrere Fabriken der Textil- und Metallbranche usw. niedergelassen, die viel zum guten Namen der Schweizer Qualitätsprodukte im In- und Ausland beitragen.»

Näherei der Bimtex AG
Näherei der Dekorations- und Möbelstoffweberei AG

Vom Strohzentrum zur Textilhochburg

1935 hatte in Meisterschwanden nicht nur eine Möbelstoffweberei (Textilwerke AG) ihre Tätigkeit aufgenommen, sondern mit der BIM AG auch eine Kleiderfabrik, die ihre Produkte unter dem Label Bimtex auf den Markt brachte. 1938 wurde die Herrenwäschefabrik Seetal gegründet, die ihre Hemden und Pyjamas unter der Marke Femtex verkaufte. Hinter diesem Betrieb stand die Firma Fenner AG, die bereits seit 1865 bestand, als Johann Georg Fenner in Meisterschwanden ein Ladengeschäft und eine Damenschneiderei eröffnet hatte. Die drei Unternehmen konnten sich etablieren, obwohl sie keinen leichten Start hatten – schliesslich galt es zunächst die grösstenteils aus der Strohindustrie stammenden Arbeitskräfte umzuschulen. Auch das wirtschaftliche Umfeld im Zweiten Weltkrieg mit Rohstoffmangel hemmten zunächst die Entwicklung.

Neubau Textilwerke 1962
Die Textilwerke bezogen 1962 einen Neubau, der später von der Druckerei Siegrist und dann der Tanner & Co. AG übernommen wurde.

Nach dem Krieg gründete Robert Lenz eine zweite Möbelstoffweberei im Dorf, die sich in der Branche ebenfalls erfolgreich positionieren konnte. 1960 bezog sie einen Neubau im Gebiet Flücke, zwei Jahre später zog die Textilwerke AG mit einen neuen Fabrikationsgebäude an der Industriestrasse nach.

Komplexe Metallverarbeitung: Karl Fischer AG

Zum grössten Industriebetrieb in Meisterschwanden entwickelte sich in der langen Hochkonjunkturphase der Nachkriegszeit jedoch die Metallwarenfabrik Karl Fischer AG. 1946 unter dem Namen Fischer, Siegrist & Co. mit Fabrikationsstätte in der ehemaligen Strohhutfabrik (Hüetli) gegründet, spezialisierte sich das Unternehmen auf die Herstellung und Zulieferung von Einzelteilen an die metallverarbeitende Industrie. 1956 bezog die Karl Fischer AG einen ersten Neubau im Oberfeld, 1971 dann eine neue Fabrikhalle auf der Lindenmatte für die mittlerweile 90 Angestellten. In der Folge konzentrierte sich das Unternehmen stärker auf die Blechverarbeitung und entwickelte sich vom Einzelteile-Zulieferer zum Hersteller kompletter Anlagen und anspruchsvoller Baugruppen mit hoher Fertigungstiefe. Als Eigenprodukte stellte es unter anderem Kehricht-Container sowie Werkstückträger-Systeme für vollautomatisierte Fertigungsabläufe her. Um 1990 exportierte die Karl Fischer AG mehr als zwei Drittel ihrer Fabrikate ins Ausland. Seit 2010 läuft die Produktion unter dem Dach der Estech Industries. Die 1968 gegründete Tochterfirma Elfero, im Gebiet der Gebäuderegeltechnik tätig, ist hingegen längst unabhängig.

Blick in die Werkhalle
Blick in die Werkhalle der Karl Fischer AG in den 1980er-Jahren.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden in Meisterschwanden zahlreiche kleinindustrielle technische Betriebe, etwa in den Bereichen Apparatebau oder Feinmechanik. 1961 nahm zudem die Kunststofffabrik Granula AG in einem früheren Gebäude der Hutgeflechtindustrie ihre Tätigkeit auf. 1997 zog sie nach Merenschwand.

Neues Industriequartier 1993
Im Gebiet Lindenmatt – hier im Jahr 1993 – entstand ab den 1960er-Jahren ein neues Industriequartier.

Zentrum der Verpackungsindustrie

Die Unternehmen der Textilindustrie verschwanden im Zug des beschleunigten Strukturwandels der Branche seit den 1970er-Jahren. Ihre Produktionsstätten wurden in den 1980er- und 90er-Jahren teilweise von Unternehmen aus dem Bereich Verpackungstechnik übernommen. Dieser Industriezweig stellt im frühen 21. Jahrhundert den eigentlichen Schwerpunkt des Wirtschaftstandorts dar: Mit der Tanner & Co. AG und der Medewo AG sind gleich zwei international tätige Firmengruppen in Meisterschwanden zu Hause. (sst)

Hier geht es weiter

  • Ammann, Hektor; Bosch, Reinhold; Braun, Emil, Buhofer Fritz, Lenzburg-Kulm. Heimatgeschichte und Wirtschaft, Reihe: Bezirkschroniken des Kantons Aargau, Band III: Lenzburg-Kulm. Zürich 1947.
  • Chronik der Bezirke Lenzburg und Kulm. Industrie, Handel und Gewerbe. Zürich 1966 (Chronik Kanton Aargau II).
  • Baldinger Fuchs, Astrid: Industrie: das wirtschaftliche Rückgrat des Kantons. Wachstum und Wohlstand «made in Aargau». In: Historische Gesellschaft des Kantons Aargau (Hg.): Zeitgeschichte Aargau 1950-2000. Zürich 2021, S. 324–349.