Drei Tage im Jahr haben die Frauen das Sagen
Zeitstrahl: 1712
Der Meitlisonntig in Meisterschwanden und Fahrwangen hat eine schweizweit einmalige Tradition.
Am zweiten Wochenende im Januar ist in den beiden Nachbargemeinden Meitlisonntig. Er zählt zu den Bräuchen, die mitten im Winter gefeiert werden. Und er gehört zu denen, die wie die Fasnacht die herrschende Ordnung auf den Kopf stellen. Gerade vom Maskentreiben und vom Schabernack der Fasnacht sollte der Meitlisonntig möglichst getrennt sein. Die Berner Obrigkeit soll darauf geachtet haben, dass die beiden Feste nicht gleichzeitig stattfanden und damit auch fein säuberlich getrennt blieben.
Einer mündlichen Überlieferung zufolge geht die Tradition am Ostufer des Hallwilersees zurück auf den Zweiten Villmergerkrieg von 1712. Die Frauen von Meisterschwanden und Fahrwangen sollen vom Berner Obersten Tscharner höchstselbst drei Tage eigener Regentschaft erhalten haben. Dies als Belohnung für ihre Verdienste als wackere Kriegerinnen. Sie sollen mit einem Ablenkungsmanöver die Innerschweizer Truppen eingeschüchtert haben. Erstmals in einer historischen Quelle erwähnt wurde der Meitlisonntig allerdings erst viel später. Ein Rapport eines Landjägers aus dem Jahr 1850 bezeugt, dass Frauen im Januar die Polizeistunde missachteten.
Männerfang, Damenwahl und Eierring
Über die Jahrzehnte entstand in Fahrwangen und Meisterschwanden um den zweiten Sonntag nach Neujahr ein reiches Brauchtum. Es folgt einem strengen Ritual, organisiert von den Meitlisonntagsvereinigungen, wie sie in beiden Dörfern seit 1912 bestehen. Am Donnerstag beginnt «Weiberherrschaft» unter den Trommelklängen der Tambourinnen. Darauf folgen die Generalversammlungen der beiden Vereinigungen. Daran nehmen in jedem Dorf bis zu hundert Frauen teil. Dafür kleiden sie sich elegant in dunklen Roben aus Urgrossmutters Zeiten. Darauf folgt der sogenannte Männerfang mittels Grasbogen und Hanfseilen. Dabei gibt es kein Entkommen. Es ist indes eine Ehre, gefangen zu werden und sich anschliessend mit einem Umtrunk freizukaufen.
Tanzanlässe mit Kostümierung bereichern die drei Tage. Dabei ist es an den Frauen, zum Tanz zu bitten und ein Glas Weisswein zu offerieren. Beim sonntäglichen Maskentreiben sind es wiederum die Frauen, die zum Tanz auffordern. Die Zeit vergeht schnell, und schon bald kommt das gewichtigste Requisit zum Einsatz. Es ist der Eierring, ein übergrosser kreisförmiger Zopf. Sobald er angeschnitten und verteilt ist, endet die Regentschaft der Frauen symbolisch mit einer mitternächtlichen Polonaise durch die Dorfrestaurants.
Der Ablauf der drei Tage basiert auf mündlicher Überlieferung und konnte deshalb über die Jahrzehnte immer wieder an die gesellschaftlichen Begebenheiten angepasst werden. Der Meitlisonntig steht auf der offiziellen Liste der lebendigen Traditionen und gehört damit zum immateriellen Kulturerbe unseres Landes. Das macht Meisterschwanden und Fahrwangen für drei Tage pro Jahr zu einer Besonderheit. Im Entfernten vergleichbar ist die Seetaler Tradition mit dem «Wybermahl» in Hettiswil bei Hindelbank und der «Hühnersuppe» in Burgdorf. In beiden Berner Gemeinden wird bis heute ebenfalls des Einsatzes der Frauen bei kriegerischen Handlungen gedacht. Jedoch gehen diese historischen Ereignisse bis auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zurück. (pze)
Hier geht es weiter:
- www.meitlisonntag.ch
- Die lebendigen Traditionen der Schweiz: Meitlisonntig (Meitlizyt, Meitlitäg)
- Meitlisonntagsvereinigung Meisterschwanden: 300 Jahre Meitlisonntag. Meisterschwanden 2012.
- Fischer, Yvonne: MeitlisonntagsBrauch Fahrwangen und Meisterschwanden um den 2. Sonntag im Januar. In: Heimatkunde im Seetal, 2001, S. 17–28.
- Stüssi-Lauterburg, Jürg: Helvetias Töchter. Frauen in der Schweizer Militärgeschichte von der Entstehung der Eidgenossenschaft bis zur Gründung des Frauenhilfsdienstes (1291–1939). Frauenfeld 1989, S. 35–40.
- Hoffmann-Krayer, Eduard: Feste und Bräuche des Schweizervolkes. Zürich 1940.
- Berichte über den Meitlisonntig bei Radio und Fernsehen SRF: