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Der Hafen der Hallwilersee-Schifffahrt

Zeitstrahl: 1883

Meisterschwanden als Heimat der Schifffahrtsgesellschaft

Die Seethal I bei der Seerose, 1912
Die Seethal I bei der Seerose auf einer Postkarte von 1912 (Sammlung Gemeinde Meisterschwanden)

Die Schifffahrtsgesellschaft Hallwilersee AG ist in Meisterschwanden verankert – mit Werft und Hauptquartier beim «Delphin» und den beiden Landestegen «Seerose» und «Delphin». Ihre Entstehung steht in einem direkten Zusammenhang mit dem Bau der Seetalbahn, die 1883 in Betrieb genommen wurde. Die Eisenbahn, die als Inbegriff des Fortschritts galt, eröffnete einerseits neue Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung und touristische Erschliessung der Seeregion. Andererseits weckte sie in den Gemeinden am rechten Seeufer die Befürchtung, man werde von dieser positiven Entwicklung abgehängt.

Nachdem Meisterschwanden und Seengen bei der Festlegung der Linienführung der Seetalbahn leer ausgegangen waren, suchten sie nach einer Möglichkeit, den Anschluss ans Bahnnetz trotzdem sicherzustellen. Insbesondere die Strohindustrie in Meisterschwanden und Fahrwangen hatte ein Interesse daran, ihre Produkte rasch auf die Schiene zu bringen. Zugleich war der Betreibergesellschaft der Seetalbahn an einer touristischen Aufwertung des Sees und guten Verbindungen zum rechten Ufer gelegen.

Dampfboote Seethal I und Hallwyl I am Steg beim Delphin
Die Dampfboote Seethal I und Hallwyl I am Steg beim Delphin, rechts die Schiffshütte. (Sammlung Gemeinde Meisterschwanden)

1887 wurden die Pläne für einen Schiffsbetrieb konkret, und am 27. Mai 1888 machte die Aktionärsversammlung im «Löwen» in Meisterschwanden die Gründung der Hallwilersee-Dampfschiffgesellschaft perfekt. Ein Dampfschiff mit Platz für 80 bis 100 Personen wurde bestellt. Der Verwaltungsratspräsident, Strohfabrikant Jakob Fischer-Gloor (1825–1898) aus Meisterschwanden, hatte jedoch mit eigenen Mitteln bereits vorsorglich ein Occasions-Dampfboot mit 25 Plätzen vom Zürichsee gekauft. Mit dem Schiff «Otto» konnte die Gesellschaft so den Betrieb zwischen Meisterschwanden, Birrwil und Beinwil bereits am 8. Juli 1888 offiziell aufnehmen.

Anschubhilfe des Strohfabrikanten

In den ersten Jahren hatte die Dampfschiffgesellschaft mit einigen Hindernissen zu kämpfen. So kam es nicht nur zum Konflikt mit den Fährleuten, die bis anhin für den Bootsbetrieb zwischen den beiden Seeufern gesorgt hatten – der neuen Gesellschaft fehlte es auch an Personal mit Erfahrung in der Seefahrt. Die Aargauer Regierung musste schon bald mit Betriebseinstellung drohen, wegen Verletzung von Weisungen und Konzessionsbestimmungen. Auf dem inzwischen im Besitz der Gesellschaft stehenden Dampfboot «Otto» etwa wurde der vorgeschriebene Besatzungsbestand von drei Mann unterschritten. Der 1889 in Betrieb genommene Dampfer «Hallwyl» für 70 Passagiere wurde mehrmals überladen. Zudem fehlte ein verantwortlicher Betriebsleiter.

Der Verwaltungsrat konnte die Betriebseinstellung verhindern, indem er im August 1889 Max Erismann (1847–1923) zum Direktor ernannte. Der Nationalrat, der die Kuranstalt Brestenberg in Seengen führte, sollte den Schiffsbetrieb vorübergehend leiten und überwachen. Von 1890 bis 1897 übernahm die Seetalbahn den Betrieb der Dampfschiffgesellschaft, die 1893 mit der für 35 Passagiere zugelassenen «Seethal» ein weiteres Dampfboot anschaffte. Wie schon die «Otto» wurde es von Verwaltungsratspräsident Jakob Fischer-Gloor vorfinanziert. Der Fabrikant vermachte der Gesellschaft in seinem Testament schliesslich nicht nur die «Seethal», sondern verfügte noch beträchtliche weitere Schenkungen, die nach seinem Tod 1898 wirksam wurden. Dennoch konnte die Dampfschiffgesellschaft auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur dank Subventionen der öffentlichen Hand überleben. Weil die Schifffahrt eine wichtige Rolle für den Berufsverkehr spielte, wurde der Betrieb ganzjährig aufrechterhalten.

Hallwil IV beim Delphin
Die Hallwil IV beim Delphin. (SGH-Festschrift 2013)

Es sollte noch bis 1923 dauern, bis das Unternehmen erstmals einen Betriebsüberschuss erwirtschaftete. Zuvor hatte die Gesellschaft in den Jahren 1910 und 1917 zwei Motorboote angeschafft. Die «Hallwyl» II und der «Seethal» II sollten von 1918 bis 1959 den gesamten Kursverkehr auf dem Hallwilersee besorgen.

Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg

In der anhaltenden Hochkonjunkturphase nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte auch die Schifffahrt auf dem Hallwilersee einen Aufschwung. Der Ausflugsverkehr, der bereits in der Zwischenkriegszeit gewachsen war, nahm nun erst recht zu. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, baute die «Schiffahrts-Gesellschaft des Hallwilersees», wie sie ab 1962 hiess, die Flotte in den folgenden Jahrzehnten schrittweise auf fünf Schiffe aus und erneuerte sie nach Bedarf. Auch die Infrastruktur für die immer grösseren Schiffe wurde ausgebaut und modernisiert. 1964 nahm man die Auswasserungsanlage südlich des Seezopfs in Meisterschwanden in Betrieb. 1999 konnte das um- und ausgebaute Werftgebäude beim «Delphin» eingeweiht werden.

SGH-Flotte mit dem Werft- und Bürogebäude beim Delphin
Die SGH-Flotte mit dem Werft- und Bürogebäude beim Delphin im Herbst 2021 (Simon Steiner)

Für Konstanz sorgten die Betriebsleiter. Hatte Wilhelm Wiss (Fahrwangen) die Schifffahrtsgesellschaft während seiner Amtszeit von 1903 bis 1946 nach der turbulenten Anfangsphase in ruhigeres Fahrwasser geführt, so steuerten auch die Meisterschwander Hans Häfeli sen. (1947 bis 1975), Hans Häfeli jun. (1975 bis 2009) und Ueli Haller (ab 2009) das Unternehmen auf lange Sicht.

Neben dem Kursbetrieb von Frühling bis Herbst etablierte sich die ganzjährige Durchführung von Gesellschafts- und Sonderfahrten. Die Gästefrequenzen erlauben es der Schifffahrtsgesellschaft, ohne Subventionen der öffentlichen Hand auszukommen – die Ausnahmesituation während der Corona-Pandemie einmal ausgeklammert. Im Rekordjahr 2018 beförderte die Flotte auf dem Hallwilersee 140’000 Passagiere. (Autor: Simon Steiner, Historiker, Baden)

Hier geht es weiter

  • Fischer, Yvonne: 125 Jahre Schifffahrtsgesellschaft Hallwilersee. In: Heimatkunde im Seetal, 2013, S. 21-36.
  • 100 Jahre Schifffahrt Hallwilersee, Jubiläumsschrift 1888–1988.
  • Schifffahrt Hallwilersee seit 1888. Festschrift 2013.
  • T. S.: Erinnerige vom-ene Meisterschwander as erst Dampfschiff, wo ofem Hallwilersee gfahre isch. In: Heimatkunde aus dem Seetal 1930, S. 65–68.
  • Schifffahrtsgesellschaft Hallwilersee